Produktionsanlage von Karl Mayer im Einsatz bei einer südafrikanischen Textilfabrik

Afrika ist die Zukunft, heißt es immer, gerne auch in Sonntagsreden von Verbandsvertretern und Konzernchefs. Leider nicht schon die Gegenwart, mögen sich die Manager in den Exportabteilungen denken. Schon gar nicht bei Textilmaschinen, die Verkäufe nach Afrika sind gering. Wie also soll man den Vertrieb aufstellen auf einem Kontinent, der dreimal so groß wie Europa ist und viel Aufwand bei wenig Ertrag verspricht?

Lutz Vogel verkauft in Afrika seit vielen Jahren Flachstrickmaschinen der Firma Stoll in Reutlingen, sein Kollege Adam Stevenson Wirkmaschinen von Karl Mayer. Im Interview berichten die beiden Vertriebsprofis, die seit 2020 zur selben Firmengruppe gehören, von einem ganz eigenen Modell mit Partnern vor Ort.

Marktbearbeitung: Ein Handelsvertreter muss wie ein Freund sein

Herr Vogel, wie betreuen Sie von Deutschland aus über 50 Länder in Afrika? 

Porträtbild: Adam Stevenson und Lutz Vogel, Vertriebsmanager der Karl Mayer Gruppe Karl Mayer Dies ist ein eingebettetes Bild

Es sind nicht ganz so viele, Westafrika schaffe ich bisher einfach nicht. Eine sinnvolle Marktbearbeitung geht nur über gute Vertriebspartner vor Ort. Es ist aber extrem herausfordernd, Leute zu finden, mit denen es genügend Schnittmengen gibt und auf die man sich hundertprozentig verlassen kann. Diesen Aufwand konnte ich für Westafrika noch nicht betreiben. Man muss jemanden finden, der das langfristige, oft mühsame Geschäft mit Maschinen mitgeht und nicht vor allem den schnellen Gewinn sucht. 

Herr Stevenson, sehen Sie das auch so?

Absolut. In Ägypten und Südafrika, Ländern also mit einer gewissen Marktgröße, haben wir unsere eigenen Vertreter. In den kleinen Märkten südlich und nördlich davon hatten wir bis vor gut einem Jahr verschiedene Partner - doch kaum etwas von denen gehört. Dein Vertreter muss aber wie dein bester Freund sein. Ist das ein Freund, der nichts von sich hören lässt?

Und wie machen Sie es jetzt?

Wir arbeiten für die Länder ohne eigenen Vertreter nun mit einem unabhängigen Partner in der Schweiz zusammen. Das ist ein Schweizer, der seinerseits Vertreter in Afrika hat, in Nigerias Hauptstadt Abuja zum Beispiel und in Addis Abeba in Äthiopien. 

Wie ist das bei Ihnen, Herr Vogel?

In den wichtigeren Ländern haben wir ebenfalls eigene Vertreter, so zum Beispiel in Südafrika, Ägypten und Tunesien. Die Bearbeitung von ganz Ostafrika haben wir aber auf eine Person konzentriert, und zwar auf einen mit Vertrag ausgestatteten Partner auf Mauritius. Der Kollege arbeitet exklusiv für uns. Die Insel ist ein traditionelles Zentrum der Textilindustrie und relativ wohlhabend. Unser Kollege dort ist ein Mauritier, der quasi wie ein Handlungsreisender in Madagaskar, Mauritius, Kenia, Uganda, Äthiopien und den anderen Ländern unterwegs ist. Wir leben sehr gut mit der Politik, den Markt mit eigenen Partnern zu bearbeiten. 

Mit diesem Partner haben Sie ein gutes Vertrauensverhältnis?

Ja. Er war davor bei einem Kunden von uns, weshalb wir schon jahrelang mit ihm zusammengearbeitet hatten. Als der Kunde pleiteging, wussten wir, wie kompetent der Mann ist und dass wir sehr gut zusammenpassen könnten. 

Mehr zur Karl Mayer Holding GmbH & Co. KG 

Auf Wirk- und Strickmaschinen entstehen so alltägliche Produkte wie Röcke, Badeanzüge, Pullover und Unterwäsche. Führender Anbieter solcher Anlagen, die auch technische Netze, Sitzbezüge oder Matratzenstoffe produzieren können, ist Karl Mayer. Das Unternehmen hat sich an seinem Stammsitz in Obertshausen bei Frankfurt am Main auf Wirkmaschinen konzentriert.

2020 kaufte Karl Mayer den Flachstrickmaschinenhersteller Stoll aus Reutlingen mit heute rund 450 Mitarbeitern, beide Marken existieren weiter. Insgesamt zählt die Firmengruppe damit gut 3.000 Mitarbeiter. 

Vertreter müssen Kunden eine breite Produktpalette bieten

Übernehmen Ihre Leute in der Schweiz und in Mauritius auch den Service für installierte Maschinen? 

Nein. Wenn ein Endkunde ein Problem hat, lässt sich dies heutzutage sehr oft online lösen oder auch telefonisch. In den anderen Fällen schicken wir einen Techniker. Der kann aus Deutschland kommen oder aus einer unserer Niederlassungen in Italien, China, Indien oder den USA - je nachdem, um welches Thema es sich handelt und wer gerade verfügbar ist.

Die Herkunft des Technikers ist für die Kunden übrigens kein Thema, es hat sich noch nie einer bei einem Besuch eines Inders oder Chinesen beschwert. Unsere Technik-Kollegen bringen alle die gleichen hohen Qualifikationen mit. Wenn es sich bei Stoll aber um Fragen oder Probleme der Programmierung von Strickmustern handelt, löst dies unser mauritischer Partner direkt.

Finden Sie keine Strick- oder Wirkexperten als Partner in Afrika?

Da müssen Sie schon sehr viel Glück haben. Unsere Partner haben weitere Marken und auch andere Produktlinien im Programm, das geht auch nicht anders. Nur so können sie in diesen kleinen Märkten einerseits genügend Umsatz für sich erzielen und andererseits dem Kunden ein ausreichend breites Angebot machen. Der Endkunde braucht ja nicht nur eine Strick- oder Wirkmaschine, sondern auch Kompressoren, Nähmaschinen und so weiter. Für ihn sind Anbieter attraktiv, die seinen Bedarf möglichst breit abdecken können.

Herr Stevenson, wie sind Sie auf die Idee mit dem Vertreter in der Schweiz gekommen?

Im Prinzip mache ich das immer schon so, also eine Art Outsourcing. Nur nicht bezogen auf Länder, sondern auf Produktsegmente: In Großbritannien, wo ich davor für Karl Mayer tätig war, hat ein unabhängiger Agent den gesamten Bereich Kettvorbereitung für die Wirkerei betreut. Man kann nicht alles machen. 

Handelsvertreter erhalten Provision bei allen Geschäften

Wie halten Sie Ihre Partner bei der Stange?

Wir beteiligen sie immer am Geschäft. Auch dann, wenn sie gar nichts oder kaum zu einem Geschäftsabschluss beigetragen haben. Die Provision ist dann natürlich kleiner. Wir unterstützen unsere Vertreter auch anderweitig.  So besuchte ich in London die Zentrale einer Firma, mit deren südafrikanischen Tochtergesellschaft unser Vertreter vor Ort ins Geschäft zu kommen versuchte. 

Aber ansonsten steuern Sie nur noch ihre Vertreter per E-Mail und Telefon, vom ruhigen Büro in Reutlingen oder Obertshausen aus? 

Natürlich nicht. Das Modell funktioniert nur, wenn wir Vertriebsleute aus der Zentrale uns vor Ort blicken lassen. Und zwar beim Endkunden, das ist unendlich wichtig. Die wollen jemanden vom Hersteller sehen, nur so fassen sie Vertrauen zu ihm. 

Bei Fabrikbesuchen kommen Sie auch selbst mit Endkunden ins Gespräch.

Genau. Bei solchen Bestandskunden sehen wir dann, wie der Betrieb läuft, und können Vorschläge für Lösungen machen. Der Kunde kann von uns gleich die passenden und tatsächlich benötigten Ersatzteile kaufen, anstatt dass er die im Internet irgendwo bestellt. Für uns bedeutet das natürlich ein zusätzliches Geschäft mit Teilen, und vielleicht interessiert sich der Kunde sogar für eine neue Anlage. 

Guter Service ist ein Vorteil im Wettbewerb

Solche Besuche sind damit auch ein Mittel gegen die billigere Konkurrenz aus China oder anderswo? 

Absolut. Wichtig ist vor allem auch guter Service. Die Chinesen bieten ihre Maschinen teils zu einem Drittel unseres Preises an, und das bringt Kunden natürlich in Versuchung. Die chinesischen Hersteller konzentrieren sich im Normalfall aber nur auf den Verkauf. Die Qualität ihrer Produkte und ihr Service sind oft mangelhaft. Der Kunde kann sich nach der Lieferung häufig an niemanden mehr wenden. Unsere Maschinen halten wesentlich länger.

Zurück zu Westafrika, Herr Vogel, die Märkte dort interessieren Sie schon auch?

Natürlich. Und beim Vertriebsaufbau, lieber Adam, hilft mir sicher das Netzwerk von Karl Mayer. Als Teil der Gruppe können wir als Stoll nun echte Synergieeffekte nutzen. 

Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Juni 2023.

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